Am Donnerstag, den 08.06.2023 haben sich die EU-Staaten auf einen Asylkompromiss geeinigt.
Neben einer verpflichtenden Umverteilung von Geflüchteten innerhalb der EU sieht dieser vor, Asylverfahren von Menschen mit geringen Aussichten auf Erfolg an die EU-Außengrenzen zu verlagern. Asylbewerber:innen, die in diesen so genannten Grenzverfahren abgelehnt werden, sollen in sichere Drittstaaten abgeschoben werden. Entsprechende Abkommen mit möglichen Aufnahmestaaten müssen noch ausgehandelt werden.
Diese Grenzverfahren sollen in maximal 12 Wochen durchgeführt werden und zu einer Entlastung der EU bei der Aufnahme von Geflüchteten führen.
Viele Wissenschaftler:innen, Menschenrechtsorganisationen und auch kirchliche Verbände kritisieren diesen Kompromiss als Beginn der Aushöhlung des Menschenrechts auf Asyl.
Auch wir schließen uns dieser Kritik an und teilen hier die Resolution „Gegen den Ausverkauf der Menschenrechte an den EU-Außengrenzen“, die auf dem vergangenen Deutschen, Evangelischen Kirchentag in Nürnberg verabschiedet worden ist. Eingebracht hatte sie die Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche, Sea-Watch e.V, PRO ASYL.
Auf der Seite des Netzwerks Fluchtforschung finden sich außerdem Kommentierungen von mehreren Migrationswissenschaftler:innen zu den wesentlichen Beschlüssen der EU-Staaten. Hier wird deutlich, dass viele der getroffenen Entscheidungen auf der Grundlage undifferenzierter Behauptungen getroffen wurden, die der Komplexität von Flucht und Asyl nicht gerecht werden.
Zuletzt ein Artikel aus der Süddeutschen Zeitung über ein Bootsunglück vor der kalabrischen Küste am 26.02.2023 bei dem 94 Menschen ertranken, obwohl sowohl Frontex, die italienische Zollbehörde als auch die Küstenwache über das Boot in Seenot informiert waren. Dieser Artikel macht deutlich, dass die EU-Staaten einen wesentlichen Aspekt bei ihren Verhandlungen nicht in den Blick genommen haben, nämlich eine gemeinsame, organisierte Seenotrettung. Die EU scheint überfordert damit, hier eine gemeinsame Haltung zu entwickeln.
Der Frage, was passieren kann, wenn ganz normale Menschen plötzlich mit der Rettung von Flüchtlingen konfrontiert sind, geht das Theaterstück „Das Boot ist voll“ von Antonio Umberto Riccò nach.
Dieses wird im Rahmen der interkulturellen Woche am 28.09.2023 um 19:00 Uhr im Zevener Gemeindehaus zu Gast sein. Der Eintritt ist frei.
Hier die Resolution vom vergangenen Deutschen, Evangelischen Kirchentag in Nürnberg:
„Gegen den Ausverkauf der Menschenrechte an den EU-Außengrenzen
Vor vier Jahren hat der Kirchentag beschlossen: Wir schicken ein Schiff. Denn man lässt niemanden ertrinken. Damit hat sich der Evangelische Kirchentag eindeutig gegen das Sterben auf dem Mittelmeer positioniert. Jetzt haben sich die EU-Innenminister*innen mit ihrem Beschluss zum europäischen Asylrecht auf den Ausverkauf der Menschenrechte geeinigt. Wir positionieren uns dagegen und fordern zum Handeln auf.
Mit Zustimmung von Nancy Faeser und Befürwortung durch die grüne Außenministerin Baerbock und den liberalen Justizminister Buschmann haben die Innenminister*innen der EU den Frontalangriff auf den Rechtsstaat und das Flüchtlingsrecht in der Europäischen Union gestartet.
Ein Horrorszenario droht – und das mit Unterstützung der Bundesregierung: Flüchtlinge erreichen einen Staat an der EU-Außengrenze. Sie bitten um Asyl. Sofort werden sie inhaftiert. Alles, was sie ab diesem Moment von Europa noch zu sehen bekommen, sind Mauern, Stacheldraht und Sicherheitspersonal. Das soll jetzt Realität in der EU werden. Nicht in unserem Namen!
Was in der Debatte als »Asylverfahren an den Außengrenzen« bezeichnet wird, hat mit einem fairen, rechtsstaatlichen Vorgang nichts zu tun. Geflüchtete erwartet vielmehr ein Schnellverfahren, an dessen Ende für viele die direkte Abschiebung in einen sogenannten »sicheren Drittstaat« steht, weil ihr Asylantrag als »unzulässig« abgelehnt wird. Ohne inhaltliche Prüfung der Fluchtgründe.
Die Europäische Union gründet auf Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Menschenrechten. Geflüchtete brauchen Schutz und Zugang zum Recht auf Asyl. Stattdessen werden sie mit brutaler Gewalt von Europa ferngehalten oder sitzen verzweifelt in Elendslagern fest.
Die Pläne von EU-Kommission und EU-Rat führen nun nur zu noch mehr Entrechtung von Schutzsuchenden.
Wir appellieren an die Abgeordneten des Europäischen Parlaments: Treten Sie dem Frontalangriff auf den Rechtsstaat und das individuelle Recht auf Asyl entgegen! Machen Sie nicht mit, wenn Menschenrechte in Europa gebrochen werden.
Wir appellieren an die EKD-Ratsvorsitzende, den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und das EKD-Büro in Brüssel, sich nachdrücklich für das Recht auf Asyl und die Einhaltung der Menschenrechte einzusetzen – und sich in diesem Sinne auch an die Kirchenmitglieder zu wenden.
Es ist bereits 5 nach 12. Handeln Sie jetzt!“
/diakonie-brv/Migration
|